Die geopolitische Lage und deren Auswirkungen auf die Energiepreise (sofern diese nicht wirtschaftlich oder profitgesteuert sind), beschäftigen uns alle auf irgendeine Art. Sei es, weil jemand sich allgemeine Sorgen macht oder Angst hat, nicht mehr zu wissen, wie alle Rechnungen bezahlt werden sollen.
Viele armutsbetroffene Menschen werden in nächster Zeit vor der Entscheidung stehen: «Soll ich mit dem restlichen Monatsgeld Essen einkaufen oder z.B. die Rate für die exorbitant gestiegene Nebenkostenabrechnung bezahlen?».
Verschuldung wird gefördert
Im Tieflohnsegment (Working Poor) sind diese Ängste stets präsent. Die Prognose, zukünftig ein Mehrfaches an Nebenkosten bezahlen zu müssen, bedeutet: Anstatt 100 Franken im Monat, plötzlich 200 bis 300 Franken pro Monat bezahlen zu müssen. Auch Personen, welche auf ein Auto angewiesen sind haben monatliche Mehrkosten von rund 100 Franken. Gleichzeitig steigen die Stromkosten um geschätzt 50 Franken pro Monat. Die stets steigenden Krankenkassen- und Lebensmittelkosten sollen nicht ignoriert werden.
Die Teuerung für die einzelnen Haushalte lässt sich also auf 300 bis 500 Franken pro Monat beziffern. Für Working Poor ist das finanziell nicht mehr tragbar und es besteht grosse Gefahr, dass sie sich verschulden.
Miete und Krankenkasse nicht im Warenkorb enthalten
Die Armutsproblematik bzw. die gesellschaftliche Umverteilung hat schon vor vielen Jahren begonnen. In den letzten 20 Jahren sind die Löhne im Tieflohnsegment faktisch nicht gestiegen. Im Gegensatz dazu sind die Mietkosten, wie auch die Krankenkassenprämien stark angestiegen, letztere im Durchschnitt um 250%.
Zu der Problematik trägt bei, dass weder Miete noch Krankenkassen im Warenkorb, welcher als Massstab für die Berechnung der Teuerung in der Schweiz gilt, enthalten sind. Der Anstieg dieser Kosten hat deshalb keinen Einfluss auf die Berechnung der Teuerung und sind demzufolge auch nicht Lohnrelevant.
Das zeigt auf, dass diese Menschen schon seit vielen Jahren immer weniger Geld für den Lebensbedarf zur Verfügung haben. Working Poor müssen für die Miete, die Krankenkasse und anfallende Gesundheitskosten jetzt schon bis zu 60% ihres Lohnes aufwenden. Die ständig steigenden Kosten sind für armutsbetroffenen Menschen ein gravierendes Problem.
Verheerende sozialpolitische Folgen
Die sozialpolitischen Folgen werden voraussichtlich verheerend sein. Die Problematik trifft arbeitende Menschen, die am Existenzminimum leben, am stärksten. Gerade für diese Gruppe von Menschen steht kein Auffangnetz zur Verfügung – um Sozialhilfe zu beziehen verdienen sie knapp zu viel, um den Alltag zu bewältigen jedoch mittlerweile zu wenig.
Viele Menschen in dieser Situation müssen bereits jetzt mit ihren finanziellen Ressourcen sehr sparsam wirtschaften, um bis Ende des Monats Essen kaufen zu können.
«Die können sich ja beim Sozialamt melden»
«Wo ist das Problem?», hört man immer wieder. «Die können sich ja beim Sozialamt anmelden». Ein grosses Missverständnis, das weit verbreitet zu sein scheint. Menschen in dieser Situation können sich nicht anmelden, weil ihr Einkommen am oder knapp über dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegt. Working Poor, welche plötzlich 300 bis 500 Franken Mehrkosten pro Monat haben, haben entsprechend keinen Anspruch auf Sozialhilfe und sind auf sich alleine gestellt. Die Grundlage ist das sozialhilferechtliche Existenzminimum.
Jede 5. Person ist gefährdet
Um die Verschuldung oder das Abrutschen von mehr Menschen in die Armut zu verhindern, ist es wichtig, dass Massnahmen ergriffen werden. Ohne eine Veränderung der jetzigen Situation muss davon ausgegangen werden, dass ca. 20% der St.Galler Bevölkerung gefährdet sind, sich trotz Arbeit zu verschulden oder in absoluter Armut zu leben.
Bestrafen oder ein würdiges Leben ermöglichen
Wir stehen jetzt am Scheideweg, ob wir eine Zukunft herbeisehnen, welche zukünftig armutsbetroffene und armutsgefährdete Menschen weiter an den Rand der Gesellschaft drängt und dadurch den Graben zwischen Armen und Reichen vergrössert.
Andernfalls müssen wir uns jetzt den Schwächsten und Ärmsten unserer Gesellschaft annehmen. Wir müssen sie stärken und gemeinsam Lösungen suchen. Mögliche sozialpolitische Lösungen könnten folgende sein:
- Familienergänzungsleistungen
- Genügend Prämienverbilligung
- Die Einführung eines Mindestlohnes
- Bezahlbaren Wohnraum
- Direkter Abzug der Steuern vom Lohn
Somit könnte auch armutsbetroffenen Menschen ein würdiges und unverschuldetes Leben ermöglicht werden.