Bald geniert man sich, erneut ein städtisches Projekt zu hinterfragen. Und man fragt sich: Startet auch das neuste Vorhaben wieder unter einem schlechten Stern? Am letzten Montag präsentierte die Stadtverwaltung der Öffentlichkeit das Projekt zur totalen Neugestaltung der West-Ost-Achse vom Cityplatz Rapperswil bis zum Erlenquartier in Jona. Wie das vor sich ging, macht für das 100-Millionen-Franken-Vorhaben wenig Hoffnung. Und die Aussage von Bauchef Thomas Furrer, «irgendwo» müsse man «ja anfangen», mochte auch niemanden vom Sitz reissen. Die Lokalzeitung bilanzierte nach dem Anlass: «Es gibt noch viele Fragen zu klären, bevor die neue Lebensader zum Pulsieren kommt.»
RJ: SCHLECHTER START FÜR EIN 100 MILLIONEN PROJEKT

Ein schwacher Auftakt
An der öffentlichen Präsentation zum Umbau der 2.7 Kilometer langen Strasse waren im Kulturzentrum Kreuz nur 100 Leute zugegen. Der schwache Auflauf war kein Zufall. Kleinstinserate in der Lokalzeitung, eine falsche Zeitangabe auf der städtischen Facebook-Seite und kein Veranstaltungshinweis im News-Bereich der stadteigenen Webseite: All das liess vermuten, das Projekt habe intern wenig Kredit. Oder will die Stadt den Ball bewusst flach halten und das Projekt möglichst diskussionslos am Volk vorbeischmuggeln?

Nur keine Eskalation
Das kleine Grüppchen im Kreuz Jona wurde von einem Projekt- und einem Kantons-Vertreter sowie dem Stadt-Bauchef empfangen. Sekundiert wurden sie von einer Moderatorin namens Nathalie Mil. Ihre Aufgabe war es zu vermitteln oder hitzige Diskussionen zu vermeiden und aus dem Infoabend eine Art Workshop zu machen. Die Zuhörer durften ihre Fragen nicht direkt an die Fachleute stellen, sondern mussten sie auf ein Zetteli schreiben. Auf den Stühlen lag dazu je ein Blöckli und ein Kugelschreiber. Die eingesammelten Zetteli pinte Frau Mil dann an eine Wand und arbeitete sie ab. In gedämpfter Formulierung schob sie die Fragen des Volkes an die Fachpersonen zur Beantwortung weiter. Männiglich schüttelte ab dem Prozedere den Kopf.

Der Stadtrat duckt sich
Von Seiten Stadt stand Bauchef Furrer allein auf der Bühne. Stadtpräsident Martin Stöckling sass, wie zwei weitere Stadträte, unter den Zuhörern. Ein Grusswort des Stadtpräsidenten zu diesem Generationen-Projekt fehlte. Man fragte sich, steht der Stadtrat in dieser Sache überhaupt hinter seinem Bauchef? Oder lässt er ihn bewusst allein ins allfällige Verderben rasseln?

Der schwache Rats-Support für dieses Riesenprojekt, das die Stadt mindestens über ein Jahrzehnt beschäftigen könnte, zeigt sich auch in der 72-seitigen Broschüre zum Vorhaben, welche den Besuchern abgegeben wurde. Nicht der Stadtpräsident oder der Bauchef schrieben das Vorwort, sondern – niemand!
Namenlose Menschen
Auf der die Information einleitenden Doppelseite findet man ein paar Bildchen mit namenlosen Menschen, die niemand kennt. Mit Ausnahme von Ex-Warenhausbesitzer Gusti Keller. Warum er dort steht, findet man aber auch nicht heraus. Einen amtlichen an die Bürger gerichteten Text gibt es nicht. Die Broschüre ist nicht einmal von der Stadt unterzeichnet, sondern von einem Lukas Brassel von einer F. Preisig AG und einem Dominik Bieli von einem Ingenieurbüro Bieli GmbH.
Doch noch Wortmeldungen
Trotz des Zetteili-Eiertanzes gab es doch vereinzelte Wortmeldungen. So waren die vielen Bäume ein Thema, oder die Gärten und Parkplätze, welche der erweiterten Strasse weichen müssten.

Grundlegende Projekt-Kritik äusserte der Rapperswiler Marcel Gasser. Er ist Gründungsmitglied des Vereins Verj, in dem sich Bürger und Fachleute seit Jahren mit der Verkehrsentlastung der Stadt beschäftigen. Gasser rechnete vor, dass die neue Ost-West-Achse immerhin einen Zehntel der Kosten einer Tunnellösung betrage, aber mit Ausnahme der projektierten Strasse alle anderen Verkehrsprobleme der Stadt beiseite lasse. Unklar sei unter anderem, welche Aufgabe die sanierungsbedürftige Alte Jonastrasse dereinst habe und wie man die Probleme auf der Rütistrasse, der Zürcherstrasse, der Bahnhofstrasse und auf all den weiteren Achsen der Stadt angehe. Auch fehle ihm die Abstimmung des Projektes mit einem allfälligen Tunnel.
Zwei Fussballfelder Land abtreten
Eine weitere Gefahr sieht Gasser bei den nötigen Landabgaben. Für das Projekt müssten 12'000 Quadratmeter privates Land erworben werden, was rund zwei Fussballfeldern entspreche. Die Verhandlungen mit 130 Grundeigentümern würden «zu einer Flut von Rechtsverfahren» führen. Wobei das Schlussresultat eigentlich nur sei, dass es auf der «Lebensader» der Stadt eine fast durchgehende Busspur gebe.
Der nächste Absturz?
Gasser warf zum Schluss die Frage auf, warum man Fussgänger und Velofahrer auf diese verkehrsreiche Achse zwinge, statt durch die ruhigeren, zurückliegenden Quartiere führe. Dort würden neue Fuss- und Radwegverbindungen mehr nützen. Und wären dann wirklich sicher – im Gegensatz zum vorliegenden Projekt.
Zum Schluss riet Gasser dem Stadtrat, das Projekt nicht in der heutigen «Frühform» schon nächsten November der Bevölkerung vorzulegen. Er riskiere damit nur «einen erneuten Absturz».