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Rapperswil-Jona
20.10.2022
20.10.2022 10:40 Uhr

Was bringt das Parlament Rapperswil-Jona?

Rapperswil-Jona: Mit dem Stadtparlament die Bürgerversammlung abschaffen? Am 3. November wird darüber debattiert.  (Bild: Parlament Wil SG)
Rapperswil-Jona: Mit dem Stadtparlament die Bürgerversammlung abschaffen? Am 3. November wird darüber debattiert. (Bild: Parlament Wil SG) Bild: wil24.ch
Am 3. November ist Bürgerversammlung. Darin stimmt Rapperswil-Jona über die Einführung eines Parlaments ab. Wird die Stadtregierung mit einem Parlament besser? Kommentar von Bruno Hug

An der Bürgerversammlung vom kommenden 3. November in der Joner Sporthalle Grünfeld geht es um viel. Nämlich um die Einführung eines Parlaments für Rapperswil-Jona auf den 1. Januar 2025 – und damit um die Abschaffung der heutigen Bürgerversammlung.
In der Folge fasse ich dazu das Wichtigste zusammen:

Das Versammlungs-Prozedere

  • An der Bürgerversammlung geht Stadtpräsident Martin Stöckling die Parlaments-Vorlage, welche die Stimmberechtigten zusammen mit dem Stimmausweis zugestellt bekamen, Punkt für Punkt durch.
  • Zu jedem thematischen Bereich können sich die Bürger äussern, respektive einen Antrag einbringen. (Z. B. dass das Parlament nicht 36, sondern z.B. 24 oder 40 Mitglieder haben soll.) Findet ein solcher Antrag eine Mehrheit, wird die entsprechende Formulierung in die neue Gemeindeordnung aufgenommen.

Parlament vors Volk?

Am Schluss des Prozederes entscheidet die Bürgerversammlung, ob sie sich zu Gunsten eines Parlaments auf Ende 2024 selbst abschaffen will. Es ist aber auch möglich, dass jemand beantragt, die Parlaments-Einführung müsse durch eine Volksabstimmung beschlossen werden. Stimmen einem solchen Antrag ein Drittel der Versammelten zu, wird über das Parlaments-Ja oder -Nein im Frühling 2023 anlässlich einer Volksabstimmung entschieden. (Das wäre insofern logisch, weil von den Parlaments-Befürwortern ja stets betont wird, die Bürgerversammlung sei für wichtige Entscheide ungeeignet, da sie einfach zu manipulieren sei und wegen der relativ kleinen Anzahl Besucher die Volksmeinung nicht widerspiegle.)

Grosses oder kleines Parlament?

Auf Wunsch der politischen Parteien hätte das künftige Parlament für Rapperswil-Jona 36 Mitglieder. Das ist viel und könnte in der Tendenz zu einem ineffizienten und teuren Debattierclub führen. Auch ist fraglich, ob sich für ein grosses Parlament genügend Persönlichkeiten finden lassen. Die Parteien jammern ja heute schon über mangelndes Führungspersonal - und immer weniger Mitglieder.

Der Kanton St. Gallen sieht keine Mindestanzahl für ein Parlament vor. Das Rapperswil-Joner Parlament könnte also auch 20 oder 24 Mitglieder haben. Ein bekannter Rapperswiler Unternehmer sagte mir kürzlich: Das Parlament im Fürstentum Liechtenstein zähle 25 Mitglieder und ergänzte, «was für ein ganzes Land reicht, müsste auch für Rapperswil-Jona gut sein».

Was bringt das Parlament?   

Nützt ein Parlament etwas? Dazu schreiben die politischen Parteien der Stadt auf einem Werbeflyer, es bringe «…mehr Fortschritt». Stimmt das?

Auf seine Parlaments-Erfahrung angesprochen, sagt der stellvertretende Stadtschreiber von Gossau SG, Urs Salzmann, mit dem Parlament seien «die politischen Entscheide nicht besser, aber auch nicht schlechter geworden». Und so oder ähnlich tönt es auch aus vielen anderen Orten.

Erstaunlicher Wandel

Erstaunlich ist, dass an der Bürgerversammlung vom 9. Juni 2015 in Rapperswil-Jona noch Dreiviertel der 2'000 Anwesenden gegen ein Parlament votierten. Parlaments-Befürworter wurden sogar ausgebuht.
Einer der vehementesten Parlaments-Gegner war damals in der Funktion als FDP-Präsident der heutige Stadtpräsidenten Martin Stöckling. Er und viele andere führten an, ein Parlament mache die Stadt langsam und ineffizient. Das sah auch der damalige Stadtpräsident Erich Zoller so, und auch die meisten Parteien. Heute aber soll alles anders sein.

Bessere Regierung mit Parlament?

Warum eigentlich? Ich vermute, dass der Gesinnungswandel auch viel damit zu tun hat, dass viele mit der heutigen Stadtführung unzufrieden sind. Sie erhoffen sich von einem Parlament Besserung. Das aber könnte ein Trugschluss sein: Der St. Galler Staatssekretär Benedikt van Spyk sagte mir, eine Regierung, die von sich aus ein Parlament wünsche, überzeuge ihn nicht. Und ein bekannter Politberater führte kürzlich in einer Rapperswiler Runde aus, keine Exekutive werde besser, indem man ihr einen neuen Verwaltungsrat – oder einer Regierung ein Parlament – zur Seite stelle.

Was soll das Parlament nützen?

Fragt sich noch, was das Parlament bewirken soll? Der Rapperswil-Joner Stadtschreiber Reto Rudolf sagte mir dazu in einem Gespräch mehrmals: «Das Parlament ersetzt die Bürgerversammlung.» Mehr Kompetenzen als sie habe das Parlament nicht.

Sicher ist, das Volk verliert mit der Abschaffung der Bürgerversammlung die direkte politische Mitsprache und delegiert sie an die Parlamentarier. Ob diese dann kluger sind als das Volk, würde sich weisen. Falls Rapperswil-Jona denn auch ein Parlament bekommt. Was bis am 3. November 2022 oder im Falle einer Volksabstimmung bis nächsten Frühling noch in den Sternen steht.

Bruno Hug