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Leserbrief
Kanton
01.07.2020

Selbstversorgung der Schweiz: Fatale Aussichten

Die Produktion der Schweizer Landwirtschaft kann den inländischen Bedarf nur teilweise decken.
Die Produktion der Schweizer Landwirtschaft kann den inländischen Bedarf nur teilweise decken. Bild: Pixabay: vuesduciel
Linth24-Leser Roland Dürig hat sich mit der Landesversorgung der Schweiz befasst. Der tiefe Selbstversorgungsgrad gibt ihm zu denken.

Im Artikel 102 der Bundesverfassung ist festgehalten: Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern sicher für den Fall machtpolitischer oder anderer länger andauernden Bedrohungen usw. Im Falle einer Krise stehen der Schweizer Bevölkerung Pflichtlager an Getreide, Reis, Zucker, Speiseöl und Speisefett im Umfang eines viermonatigen Normalverbrauchs zur Verfügung. Mit zusätzlichen Nahrungsmittelimporten und Frischprodukten wie Milch, Fleisch, Gemüse und Obst soll die Versorgung während sechs Monaten im gewohnten Umfang aufrechterhalten werden.

Eine wachsende Volkswirtschaft braucht wohl höhere Pflichtlager; wie diese in Zukunft finanziert werden, ist zu prüfen. Papier ist eben geduldig und zudem sind die in der Bundesverfassung zu lesenden Massnahmen aus der Zeit, als die Schweiz noch nicht überbevölkert war.

Dass die Schweiz bezüglich der Selbstversorgung auf schlechtem Weg ist, hat nichts mit dem Coronavirus zu tun, aber die unerwartet verhängte Lockdown-Zeit hat etwas ans Tageslicht gebracht, das viele Schweizer nicht wussten oder bis anhin nicht wahrhaben wollten: das Fehlen von Grundnahrungsmitteln aus unserer eigenen Landwirtschaft. In den letzten drei Monaten wurden auffallend viele Lebensmittel importiert, vor allem im Gemüsebereich.

Ein Beweis mehr, dass die jährlich mindestens 4 Milliarden teure Schweizer Landwirtschaft überfordert ist, die auf 8,7 Millionen angewachsene Menschenmenge zu ernähren. Nicht zu vergessen sind die vielen Millionen Touristen, welche ebenfalls an Schweizer Tischen verköstigt werden. Die Schweiz ist bereits heute schon einer der weltweit grössten Nahrungsmittelimporteure (pro Kopf). Die Zukunft sieht sehr misslich aus, denn das Freizügigkeitsabkommen lockt immer mehr Menschen in die kleine Schweiz und allmählich haben wir ausländische Verhältnisse.

Im Bundeshaus ist allen längst bekannt, dass ein tiefer Selbstversorgungsgrad in der Nahrungsmittelversorgung verletzlich macht und die Abhängigkeit vom Ausland erhöht. Trotz dieser Abhängigkeit sei man aber auf den Krisenfall vorbereitet und zu jeder Zeit in der Coronakrise sicher versorgt gewesen, so Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW). Wir werden immer abhängig sein vom Ausland.

Ja, die Schweiz hat viel zu wenig Land, um die Schwachstellen in der Selbstversorgung zu eliminieren. Unsere Schweizer Politiker im Bundeshaus wissen längst Bescheid, tun aber nichts dagegen. Der Bundesrat plädiert sogar dafür, dass der heutige Selbstversorgungsgrad bis 2025 auf 52 Prozent gesenkt wird. Das ist natürlich sehr erstaunlich und in der aktuellen Situation völlig unhaltbar, so der Schweizer Bauernpräsident und Nationalrat Markus Ritter (CVP, SG).

Die Schweiz ist gerade noch einmal gut davongekommen. Es herrschte kein Krieg und unsere Pflichtlager waren gefüllt, die Grenzen waren offen für den Nachschub von Lebensmitteln. Das Ausland war froh, seinen Überschuss an uns zu verkaufen, denn alle Nachbarländer verfügen über einen genügenden Selbstversorgungsgrad. Das sind die wahren Gründe, nicht die bilateralen Verträge mit der EU.

Roland Dürig, Schwanden