Zur Sesshaftigkeit gezwungen, sehnt sich Zirkusdirektor Fredy Knie nach dem Wagen, mit dem er normalerweise durch die Schweiz tourt. Gegen nichts in der Welt möchte er die Couch-Ecke mit den Porzellanpferden eintauschen. NZZ am Sonntag Magazin hat Fredy Knie jun. zum Interview gebeten:
Der Zirkus Knie ist in Rapperswil blockiert. Leben Sie trotzdem im Wohnwagen?
Fredy Knie: Nein, in meiner Wohnung in Wollerau, zehn Autominuten von Zirkus, Zoo und Tieren entfernt. Normalerweise bin ich nur knapp drei Monate im Winter hier und lasse im März die Rollläden herunter.
Die andern Zirkusmitglieder halten sich in ihren Wagen bereit?
Ja, 200 Artisten und Mitarbeiter, ich in meinem Alter bin die Ausnahme. Wir könnten jederzeit zur Tournee starten, vielleicht klappt es ja im September für vier Monate. Letztes Jahr hatten wir die beste Saison in 100 Jahren. Dieses Jahr die schlechteste. Nein, versichert sind wir dagegen nicht, das wäre elend teuer, und wer hätte gedacht, dass es so kommt? Immerhin konnten wir für viele Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden.
Home-Office im Wohnwagen?
Ja, das Zelt ist abgebaut, der Standplatz in Rapperswil wäre von der Stadt für Corona-Notversorgungszelte beansprucht worden, was Gott sei Dank nicht eingetroffen ist. Die Artisten halten sich individuell mit Fitnessgeräten in Form. Jeder isst für sich im Wohnwagen, wir kochen für alle in Schichten, doch die beiden Essenswagen sind geschlossen. Alle halten sehr diszipliniert Distanz. Wir sind ein abgeschlossenes Dorf, die jungen Leute konnten ja nicht einmal nach Rapperswil in den Ausgang, solange alles zu war.
Vermissen Sie Ihren Wohnwagen?
Sehr. Unsere Familie hat immer Wagen an Wagen gewohnt, ich bin im Wohnwagen aufgewachsen und bewohne seit Abschluss meiner Internatszeit mit 16 permanent einen, nahe bei den Tieren. Meinen heutigen Wagen haben meine Frau und ich vor 47 Jahren zur Hochzeit geschenkt bekommen.
Zu eng ist er Ihnen nie geworden?
Der Wagen ist 13 Meer lang und lässt sich in der Breite auf 4,5 Meter ausziehen. Es gibt Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad – auf kleinstem Raum zwar, aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Acht Personen, für die ich gerne koche, können gut am Tisch essen, wir sind nicht kompliziert. Der Wagen meiner Tochter ist etwas moderner, breiter und höher, sie hat Bodenheizung und Airconditioning. Aber ich möchte meinen nicht eintauschen.