Ikigai ist japanisch. Am ehesten könnte man das Wort mit «Lebenssinn» umschreiben, «das, wofür es sich zu leben lohnt». Auf der Insel Okinawa ist Ikigai Lebensphilosophie. Doch der Reihe nach:
Die Inselgruppe Okinawa hebt sich sanft aus dem Ostchinesischen Meer, der höchste Punkt liegt 500 Meter über dem Meeresspiegel. Politisch gehören die Inseln zu Japan, doch geografisch liegen sie ziemlich exakt zwischen Taiwan und der japanischen Küste.
Am ehesten kennt man die Inseln aus den TV-Nachrichten: Die US-Marines haben Okinawa während Jahrzehnten als Gelände für das Dschungelkampf-Training genutzt. Ein Ort der Glückseligkeit würde man auf einem ehemaligen Waffenplatz kaum vermuten.
Die fünf «Blue Zones» der Erde
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist auf Okinawa etwa vergleichbar mit jener der Schweiz. Für Frauen liegt sie bei 86 Jahren, für Männer bei 78 Jahren. Doch auf keinem Flecken Erde leben pro Einwohner so viele Hundertjährige wie auf Okinawa (68 pro 100'000 Einwohner, in Europa sind es 10 bis 20 pro 100'000 Einwohner).
Das ist tatsächlich überraschend. Nur in vier anderen Weltgegenden leben die Menschen ähnlich lang: auf der italienischen Insel Sardinien, auf der griechischen Insel Ikaria, auf der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und in Loma Linda, Kalifornien.
Im November 2005 wollte das amerikanische Magazin «National Geographic» das Rätsel des langen Lebens lüften. Reporter Dan Buettner besuchte deshalb diese fünf Regionen, die er als «Blue Zones» bezeichnete – ein Begriff, der in der Botanik schon seit vielen Jahren für Regionen mit besonders hoher Biodiversität verwendet wird, sich Buettner aber für die «Inseln der Hundertjährigen» als Handelsname schützen liess in der Hoffnung, das Rezept für langes Leben zu finden.
Psychosoziale Faktoren sind wichtiger als Ernährung
Doch das Leben ist komplexer als gedacht. «Neue Forschungsarbeiten zeigen, dass medizinische und biologische Faktoren nur 20 bis 30 Prozent der menschlichen Lebenserwartung erklären können», sagt Sabina Misoch, Leiterin des Instituts für Altersforschung an der OST. «Es muss neben Ernährung und Genetik noch andere Effekte geben».